Apallisches Syndrom
Praxis für
Logopädie


Franzi Rodach
(geb. Taraba)
Logopädin, B.A.


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Wachheit und Bewusstsein Infografik

Apallisches Syndrom



Das apallische Syndrom stellt die schwerste Hirnfunktionsstörung dar.

Der Name ist vom deutschen Psychiater Kretschmer (1940) geprägt worden und bedeutet sinngemäß „Verlust des Palliums, d.h. ohne Hirnmantel”. Gemeint ist, dass der Hirnmantel vom Hirnstamm funktionell getrennt ist. Im englischen Schrifttum wird die Bezeichnung „persistent vegetative state” (bleibender vegetativer Status), französisch: Coma vigil, verwendet. Hier soll zum Ausdruck kommen, dass nur noch das vegetative Nervensystem die Körperfunktionen steuert.

Ursachen

SHT

Hypoxische oder ischämische Hirnschäden, z.B. durch Beinahe-Ertrinken

Narkosezwischenfälle

Herz-Krieslauf-Stillstand mit Reanimation

Seltener sind Hirnblutungen


Verhaltenssymptome

Aufgrund der schweren Hirnschädigung ist der Betroffene zunächst tief komatös und muss beatmet werden. Beim Erwachen aus dem tiefen akuten Koma zeigen sich dann drei bis 4 Wochen nach dem schädigenden Ereignis folgende charakteristischen Symptome (Multi Society Task Force on PVS 1994):

Spontane Atmung, erhaltene Herz-Kreislauf-Tätigkeit, keine lebenserhaltenden Apparate. Die vegetativen Funktionen sind dysreguliert, häufig sind ein oft erhöhter Blutdruck, eine erhöhte Herzfrequenz und eine erhöhte Atemfrequenz, Schweißausbrüche und ein vermehrter Speichelfluss.

Der Patient zeigt keine von außen sichtbare sinnvolle Reaktion auf Berührung oder Ansprache, er befolgt z.B. keine Aufforderungen und zeigt keine emotionalen Reaktionen etwa bei Besuchen von Angehörigen.

Zielgerichte Bewegungen oder absichtsvolle Versuche der Kontaktaufnahme sind von außen nicht erkennbar. Motorische Primitivreaktionen wie Schmatz- und Kaubewegungen (orale Automatismen) sind erhalten.


Das Vollbild des apallischen Syndroms

Gestörter Schlaf-wach-Rhythmus

Geöffnete Augen im Wachzustand. Bei ruckartigen Augenbewegungen, kann der Eindruck einen willkürlichen Blickkontaktes entstehen. Erst wenn eine reproduzierbare Blickwendung ausgeführt werden kann, können wir sicher sein, dass der Patient fixieren kann. Die Pupillen sind meistens asymmetrisch vergrößert und reagieren verzögert auf Lichteinfall.

Spontane Bewegungen im Mund- und Gesichtsbereich. Oft zeigen die Patienten eine mimische Starre. Durch Schmerzreiz kann ein Stöhnen ausgelöst werden. Am auffälligsten sind reflektorische Bewegungen im Mundbereich. Nach Berührung der Lippen oder des Gaumens wird der Mund automatisch fest zusammengepresst. Bekommt der Patient einen Spatel zwischen die Zähne, kann dieser so kräftig mit den Zähnen festgehalten werden, dass beim Wegziehen der Kopf angehoben wird („Bulldog-Reflex(”). Spontan oder nach Berührung der Lippen können auch Saug-, Leck-, Schmatz- und Kaubewegungen in Gang gesetzt werden. Der Schluck- und Würgereflex kann erhalten sein, so dass angebotene feste Speisen automatisch gekaut und geschluckt werden können.

Muskelspannung: stark erhöht, mit rigorartiger Muskelverspannung.  Die Arme sind meistens angewinkelt (Beugespastik). Die Füße sind in den Fußgelenken überstreckt, so dass ein Spitzfussstellung entsteht. Kopf und Rumpf werden gestreckt gehalten. Trotz intensiver Physiotherapie und Lagerungen lassen sich im Langzeitverlauf Dauerverkürzungen einzelner Muskeln und Gelenkszwangsstellungen (Kontrakturen) nicht immer vermeiden. Gefürchtete Folgen der Spastik und fixierten Gelenkstellung sind lagerungsbedingte Durchblutungsstörungen der Haut mit nachfolgend auftretenden Druckgeschwüren (Dekubitalulzera).

Vegetative Funktionen: Passagere Atemstörungen, Blutdruckkrisen, massive Schweißausbrüche, regelmäßiges Absaugen durch die vermehrte Schleimabsonderung in der Lunge, Störungen der Blase- und Mastdarmfunktion.


Weitere Rückbildung

einfache motorische Aufforderungen werden befolgt

Nachgreifen

Orale Tendenz (alles in den Mund stopfen)

Steigerung der sexuellen Aktivität (Enthemmung)

Geminderter Antrieb

Fähigkeit zu Sprechen stellt sich spät ein, zuerst nur Ja und Nein

Eher Dysarthrie als Aphasie, erste Worte sind meist leise

HOPS: Störungen der Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit, Antrieb und Affektivität, Störungen der Intelligenzfunktion

Wenn innerhalb von zwei Wochen nach Beginn des Vollbildes eines traumatisch bedingten apallischen Syndroms die Rückbildung einsetzt, ist mit einer raschen und guten Wiederherstellung zu rechnen. Mit zunehmender Dauer verringert sich die Chance einer guten Rückbildung (Prof. Dr. med. Reiner Thümler 1994).


Prognose

WK-Patienten nach SHT haben eine bessere Prognose als WK-Patienten nach einer Hypoxie. Eine Heilung ohne bleibende Behinderung ist beim hypoxischen Patienten kaum möglich. Ein Erwachen nach mehr als ein Jahr nach dem Akutereignis ist unwahrscheinlich. Alter ist prinzipiell kein die Prognose verschlimmernder Faktor, wohl aber in Zusammenhang mit der oft vorhandenen Multimorbidität und dadurch häufiger auftretenden Komplikationen. Die meisten Betroffenen versterben innerhalb des ersten Jahres. Eine „angereicherte Umgebung” und soziale Beziehungen haben einen nachweislichen positiven Einfluss auf die Plastizität des Gehirns, auf Remission und Prognose. Forschungsergebnisse zeigen, dass WK-Patienten, die zu Hause versorgt werden oder integriert werden, länger leben.

Angehörige spielen eine wichtige Rolle für den Patienten und für die Therapie. Jedoch leiden 90% der Angehörigen an sozialer Isolation und existentiellen und finanziellen Problemen.